Geschichte der Brühlschen Universitätsdruckerei
Die Brühlsche Universitätsdruckerei GmbH & Co. KG zählt zu den traditionsreichsten wissenschaftlichen Druckereien Deutschlands. Ihre Entwicklung ist eng mit der akademischen Geschichte sowie bedeutenden technologischen und politischen Entwicklungen verknüpft. Als technischer wie auch intellektueller Dienstleister im Bereich wissenschaftliches Publizieren hat die Druckerei zahlreiche Umbrüche überdauert und geprägt.
Gründung und frühe Geschichte der Brühlschen Universitätsdruckerei
Die Brühlsche Universitätsdruckerei wurde im Jahr 1791 in Gießen gegründet. Möglich wurde die Gründung durch eine Druckprivilegierung, die der Gießener Professor und spätere Universitätsbuchdrucker Justus Friedrich Wilhelm Brühl vom Großherzogtum Hessen-Darmstadt erhielt. Ziel war es, eine eigene Druckinstitution zur Veröffentlichung universitärer Lehrmaterialien und wissenschaftlicher Texte aufzubauen.
Schon in den ersten Jahren war die Druckerei eng mit der Ludwig-Universität Gießen verbunden. Die räumliche Nähe zur Universität führte zu einem konstanten Auftragsfluss: Vorlesungsschriften, Dissertationen und wissenschaftliche Abhandlungen wurden hier typografisch professionell umgesetzt – ein Novum in einer Epoche, in der publizierte Forschung vielfach noch privat finanziert wurde.
Die Rolle der Druckerei im akademischen Umfeld
Die Brühlsche Universitätsdruckerei spielte von Anfang an eine wichtige unterstützende Rolle im akademischen Diskurs. Sie trug maßgeblich dazu bei, dass Arbeiten von Gießener Gelehrten überregionale Verbreitung erfuhren. Zahlreiche Fakultäten gaben regelmäßig Schriften in Auftrag, darunter:
- Rechtswissenschaftliche Fakultät: Gesetzessammlungen, Kommentare, Vorlesungsskripte
- Medizinische Fakultät: Anatomische Abhandlungen, Lehrbücher
- Philosophische Fakultät: Werke von Historikern, Theologen, Philologen
Bereits im 19. Jahrhundert war die Druckerei ein zentraler Pfeiler für den Wissenstransfer innerhalb und außerhalb der Universität. Durch kontinuierliche Qualitätsarbeit festigte sie ihren Ruf als zuverlässiger Akteur im Feld des wissenschaftlichen Publizierens.
Technologische Entwicklungen im Druckprozess
Über zwei Jahrhunderte hinweg hat sich die Drucktechnik fundamental verändert. Die Brühlsche Universitätsdruckerei hat diese Transformation aktiv mitgestaltet:
19. Jahrhundert
- Einführung der Schnellpresse (ab 1810): Produktion höherer Auflagen wurde möglich.
- Einsatz von Bleisatzmaschinen (ab Ende 1800er Jahre): Erleichterung bei der Textsetzung komplexer wissenschaftlicher Arbeiten.
20. Jahrhundert
- Offsetdruck (ab den 1930er Jahren): Verbesserte Reproduzierbarkeit von Bildern und Grafiken.
- Digitaldruck (ab 1990er Jahre): Schnellere Druckprozesse bei kleineren Auflagen, geeignet für Dissertationen und Forschungsberichte.
Heute arbeitet die Brühlsche Universitätsdruckerei mit hochmodernen Digitaldrucksystemen, Automatisierungstechniken für Buchbindungen und hybriden Satzprogrammen (InDesign, LaTeX-Systeme) für perfekte wissenschaftliche Layouts. Auch Print-on-Demand-Lösungen gehören zum Portfolio.
Einfluss historischer Ereignisse auf die Druckereitätigkeit
Die Druckereigeschichte verlief nicht bruchlos, sondern war mehrfach durch externe Ereignisse unterbrochen oder gar gefährdet.
Kriegszeiten
- Deutsch-Französischer Krieg (1870/71): Unterbrechung des regulären Betriebs, Papierknappheit.
- Erster Weltkrieg (1914–1918): Verlust an Personal durch Einberufungen, rationierte Ressourcen.
- Zweiter Weltkrieg (1939–1945): Teile der Produktion wurden eingestellt, Gebäude teilweise beschädigt.
Trotz dieser Krisen gelang es der Druckerei immer wieder, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Mit besonders hoher Widerstandskraft erfolgte nach 1945 der Wiederaufbau. Bereits 1946 wurden erste wissenschaftliche Zeitschriften wieder in Gießen gedruckt.
Herausragende Persönlichkeiten und Mitarbeiter der Druckerei
Die kontinuierliche Entwicklung der Druckerei lässt sich nicht ohne ihre führenden Köpfe und engagierten Mitarbeiter erklären. Einige herausragende Persönlichkeiten waren:
- Justus Friedrich Wilhelm Brühl (Gründer, 1791): Initiator und erster Universitätsbuchdrucker.
- Georg Brühl (19. Jh.): Modernisierte den Betrieb, führte neue Drucktechniken ein.
- Heinz Hess (Geschäftsführer ab 1974): Fokus auf Digitalisierung, internationale Kooperationen.
- Dr. Reiner Blasius (ab 2000er Jahre): Stärkte Profil im Bereich Printwissenschaft und geisteswissenschaftliche Publikationskultur.
In der Produktion arbeiteten über Jahrzehnte hochqualifizierte Setzer und Buchbinder, viele mit Meisterabschluss. Der Betrieb bildete jahrzehntelang selbst aus und etablierte sich als wichtiger Ausbildungsbetrieb in Hessen.
Meilensteine in der Produktion wissenschaftlicher Werke
Die Brühlsche Universitätsdruckerei war an zahlreichen bedeutenden wissenschaftlichen Publikationen beteiligt. Einige Werke stechen besonders hervor:
| Jahr |
Werk |
Bedeutung |
| 1842 |
„Historisch-Kritisches Wörterbuch“ |
Eines der ersten großangelegten philologischen Nachschlagewerke |
| 1901 |
Gießener Studien zur Theologie |
Etablierung einer führenden Schriftenreihe |
| 1987 |
Publikation der Gießener Papyrussammlung |
Interdisziplinäres Großprojekt der Altertumswissenschaften |
| 2015 |
Sonderveröffentlichung zum 400. Jubiläum der Universität Gießen |
über 500 Seiten, aufwendig gestaltet mit Archivreproduktionen |
Diese Werke wurden nicht nur gedruckt, sondern auch von der Satz- und Layoutabteilung konzipiert und oft im kollaborativen Austausch mit den Herausgebern betreut.
Modernisierung und Wandel im 20. und 21. Jahrhundert
Nach dem Zweiten Weltkrieg begann ein längerer Modernisierungsprozess, der nicht nur die Technik, sondern auch die strategische Ausrichtung betraf.
Zeit nach 1945
- Erweiterung des Maschinenparks in den 1950er Jahren
- Umstellung auf Offset-Technik ab den 1960er Jahren
- Neue Produktionsbereiche wie Werbedrucke und Verlagsprogramme
Zeit nach 1990
- Einstieg in den Digitaldruck zur flexiblen Kleinauflagenproduktion
- Aufbau digitaler Satzsysteme (TeX, XML-basierte Lösungen)
- Online-Dissertationsveröffentlichungen in Zusammenarbeit mit Hochschulbibliotheken
Seit 2010 erfolgt zudem eine systematische Integration von nachhaltiger Produktion. Die Brühlsche Universitätsdruckerei setzt heute auf FSC-zertifiziertes Papier, klimaneutrale Druckprozesse und digitale Workflows ohne überflüssige Ressourcenverschwendung.
Partnerschaften mit Universitäten und wissenschaftlichen Institutionen
Die Brühlsche Universitätsdruckerei pflegt langfristige Partnerschaften, insbesondere mit Hochschulen. Wichtigste Kooperationspartner sind:
- Justus-Liebig-Universität Gießen
- Philipps-Universität Marburg
- Technische Hochschule Mittelhessen
- Senckenberg Forschungsinstitut Frankfurt
Die Druckerei ist oft eingebunden in Publikationsprozesse von Fachgesellschaften, wie:
- Deutsche Gesellschaft für Soziologie
- Historische Kommission für Hessen
Eine besondere Rolle spielt die enge Zusammenarbeit mit Institutsreihen – beispielsweise den Gießener Arbeiten zur Agrarökonomie oder den Schriften der Gießener Graduiertenschule. Über 100 Reihen werden aktuell regelmäßig betreut.
Architektonische Entwicklung der Druckereistandorte
Die Gebäudeentwicklung spiegelt die Wachstumsgeschichte und technischen Veränderungen wider. Der Hauptsitz hat verschiedene Phasen durchlaufen:
| Zeitraum |
Standort |
Veränderung |
| 1791–1845 |
Innenstadt Gießen |
Erstes Druckgebäude an der Neuen Bäue |
| 1845–1930 |
Nähe Altstadt |
Erweiterter Backsteinbau für Maschinenpresse |
| 1930–1975 |
Neuer Standort in der Südanlage |
Modernisierte Produktionsfläche mit eigenem Lager |
| Seit 1975 |
Heuchelheim bei Gießen |
Umzug in einen Industriekomplex mit 3.500 m² Nutzfläche |
Die Immobilie heute ist ausgestattet mit klimatisierten Produktionsbereichen, automatisierten Lagerlösungen und barrierefreier Verwaltung. Sie entspricht aktuellen Standards für industriellen Buchdruck und versorgt eine Vielzahl von akademischen Einrichtungen in Mittelhessen und darüber hinaus.
Die Brühlsche Universitätsdruckerei GmbH & Co KG bleibt ein Ankerpunkt wissenschaftlicher Druckkultur in Deutschland. Mit ihrer zweihundertdreißigjährigen Geschichte, ihren Fachkompetenzen im Bereich Wissenschaftssatz und dem Gespür für technologische Neuerungen behauptet sie ihren Platz als unverzichtbarer Partner im akademischen Publikationswesen.
|